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Portrait
Das Portrait
Der Weg einer Liebe
von
Herbert Georg Ossberger
im Jahr 1987
am 14. 07. um 14'15
in Wien
(Am Arsch der Welt,
der zum Nabel
der Welt wird
oder werden könnte)
Ich kann einfach nicht portraitieren, ich versuche es immer wieder - es gelingt mir nicht. Ich
gehe davon aus, daß das Modell mitarbeiten muß, damit ein Bild wirklich gut wird und man
das Gefühl hat, es ist wirklich lebendig. Ja so durchschnittlich, das könnte ich schon, aber
das ist nicht das, was mich interessiert. Es muß schon so sein, wie ich es mir vorstelle und
wenn das nicht ist, dann lasse ich es lieber. Hat keinen Sinn. Ich mache es mit meinen
Bildern immer so. Ein Bild muß exakt das ausdrücken, was ich empfinde und solange das
nicht ist, wird daran gearbeitet, geändert, verworfen und oft auch zerstört. Wieder neu
beginnen, so- lange, bis es stimmt. Es sind oft bis zu 20 Zustände auf einer Leinwand, ehe
ich zufrieden bin und ich mich damit einverstanden fühle.
Ja, und so wollt ich ein Portrait malen, ich weiß, es ist für ein Modell auch nicht einfach,
unter solchen Umständen am Entstehen eines Portraits beteiligt zu sein.
Letze Woche habe ich mir eine junge Frau ins Atelier eingeladen um sie zu malen. Sie hat
mir gefallen, sie hat irgend etwas zum Ausdruck gebracht, was ich malen wollte. Was es
genau war, weiß ich nicht mehr, aber irgendwie war sie so realistisch, aber auch
impressionistisch. Ein wenig Renoir, Van Gogh, oder ich glaube ich weiß nicht so recht,
aber es war irgend ein Gefühl - wie gesagt - das ich malen wollte. Man sagte mir nach, daß
ich häßliche, grausame Bilder male. Nun das stimmt natürlich nicht, aber ich wollte mir
selber beweisen, daß ich ein ganz normales, schönes Bild malen kann, ohne daß es kitschig
oder zu idealistisch und oberflächlich ist. Ja, so wollte ich das Bild malen. Aber heute weiß
ich nicht, ob es sich überhaupt lohnt, so ein Bild zu malen.
Letzte Woche war sie das erste Mal und vermutlich auch das letzte Mal da.
Ich gebe zu, ich habe nicht sehr viel an ihrem Bildnis gearbeitet, außer, daß ich den
Keilrahmen, auf dem die Leinwand gespannt wird, zusammengesteckt habe, aber bitte, auch
das muß gründlich durchdacht und beobachtet sein. Es ist ja nicht gleich, welches Format
man verwendet. Das Format muß ja zu ihr passen, es muß ja ihr Format sein, nicht zu lang,
nicht zu quadratisch, nicht zu klein und auch nicht zu groß .
Das ist viel Arbeit, das darf man nicht unterschätzen. Möglicherweise habe ich das richtige
Format für sie nicht gefunden, denn sonst wäre sie ja heute gekommen. Ich aber habe es
vorhergesehen, ich war innerlich nicht sicher, ob sie kommen wird. Nein, ich habe es genau
gewußt, daß sie nicht kommen wird. Da kann sie tausendmal am Telefon beteuern, sie ruft
nächste Woche wieder an. Das glaube ich einfach nicht und selbst wenn, wer sagt, daß ich
zu Hause bin. Schließlich bin ich ein freier Mensch und kann hingehen, wohin ich will. Ich
werde, wenn sie anruft, einfach nicht zu Hause sein. So werde ich es machen und die Woche
drauf gehe ich auf Urlaub und nachher habe ich sicher schon wieder andere Pläne und
Aufgaben, welchen ich nachkommen muß und will.
Dabei habe ich mir extra für sie eine tolle belgische Leinwand gekauft. Die beste Qualität,
die man finden kann oder habe ich mir die Leinwand für etwas anderes besorgt? Auf jeden
Fall, ich habe sie gekauft und es arbeitet sich viel besser darauf, als auf den dünneren Sorten.
Ich glaube, ich habe das Format einfach zu groß gewählt. Ich muß sie kleiner malen als ich
es ursprünglich vorgehabt habe, sicher nicht größer als 20 x 30 cm oder maximal 30 x 40
cm, nein eher 20 x 30 cm. Also, sollte ich sie doch noch malen, male ich sie klein. Kleine
Bilder sind lieb. Wenn es zu groß wäre, würde es nur dekorativ werden. Die unbekannte
Vertrautheit, das ist das Gefühl, das ich bei ihr gehabt habe und das kann man nicht so groß
machen, das muß kleiner und intim sein. So, nicht dafür bestimmt, von jedem gesehen zu
werden.
Ich habe jetzt ein altes Bild gefunden, das 20 x 27 cm groß ist, da kann ich die Leinwand
abspannen. Das Bild ist sowieso schon trocken und es wirkt ohne Keilrahmen nur so als
Leinenfleck sicher auch recht gut, wenn nicht sogar besser. Ja, ich glaube, das Bild wirkt
besser, wenn es nicht auf Keilrahmen gespannt ist. Das Format paßt prima zu ihr, das andere
war zu groß, einfach zu viel Aufwand, als das es auch Spaß gemacht hätte. Ja, mir muß das
Malen Spaß machen; das spürt man, ob es mir Spaß gemacht hat oder nicht. Sollte ich
eventuell vielleicht das Bild doch malen, dann muß es mir Spaß machen, sonst lasse ich es
lieber. Es hat keinen Zweck. Es gibt sowieso tausend Dinge, die man machen muß
ohne das sie einem Spaß machen dürfen, aber beim Malen da bin ich gnadenlos. Entweder es
macht mir Spaß, oder es landet auf dem Müll.
Könnte man sicher auch für andere Dinge anwenden und sie auf den Müll des Vergessens
werfen. Ob sie mich beschwindelt hat und gar nicht mehr anruft? Ja überhaupt nicht mehr
kommen will? Sicher nur irgendwie rausziehen will, wenn sie interessiert wäre, hätte sie sich
Zeit genommen, wenn schon nicht heute, so vielleicht morgen oder übermorgen. Da hätte ich
zwar keine Zeit gehabt, aber das wäre ein Beweis gewesen, daß sie wirklich modellstehen
will.
Nein, ich glaube sie will überhaupt nicht. Es ist ihr peinlich, mir das ins Gesicht zu sagen -
so wird es sein. Da brauche ich mir gar nichts vormachen. Das Bild kann ich in die Wolken
schreiben, dieses Bild wird nicht gemalt. Es ist einfach traurig,
wenn man bedenkt, daß ein wirklich gutes Bild nicht gemalt wird, nur weil die Frau, die es
darstellen soll, nicht interessiert ist.
Es ist immer das selbe, die guten Dinge kann man nicht machen und nur, weil die Menschen
blind sind, weil sie einfach nichts begreifen. Was kann man da nur machen? Nichts,
überhaupt nichts kann man da machen. - So ist das Leben.
Dann eben nicht. Sollen sie sich eben allein irgendein billiges Vergnügen suchen. Wenn
einem ein solches Leben gefällt, bitte. Sollen sie sich eben weiter ihre Lügen anhören und
schauen, wer am besten lügen kann. Der hat dann gewonnen.
So geht das jahrein und jahraus. Es geschieht nichts, weil ja nichts geschehen kann.
Aber auf der anderen Seite hat ihre Stimme am Telefon irgend etwas bedauerndes gehabt.
Vielleicht ist es wirklich nur ein Zufall, der sie daran gehindert hat, zu kommen und ihre
Mutter hat wirklich was mit dem Auto und sie muß sie wo hinführen. Auch das
könnte sein, es könnte schon sein, daß ihre Mutter nicht Karl oder Franz heißt und sie die
Wahrheit gesagt hat. Ich habe die kleine Leinwand auf jeden Fall aufgespannt und grundiert.
Sicher ist sicher. Ich werde es ja sehen, wenn sich die Leinwand schön spannt, dann kommt
sie nächste Woche und sie ist tatsächlich gegen ihren Willen verhindert. Wenn sie hingegen
wellig bleibt, was bei kleinen Formaten schon passieren kann - dann kommt sie nicht. Es hat
ja auch keinen Zweck, wozu auch. Dann male ich eben jemand anderen. Es wird nicht allzu
schwer sein, jemanden zu finden, den ich portraitieren kann. Da gibt es tausende, die ich
sicher noch besser malen kann und die keine Mutter haben, die verhindert, daß sie kommen
können. Für ein Modell ist wichtig, daß es kommen kann, wenn der Meister bereit ist. Denn
immer bin ich nicht in der richtigen Stimmung, um malen zu wollen und wenn
ich nicht will, dann wird es auch nie so gut. Es ist überhaupt eine reine Stimmungssache. Ich
kannte einmal ein Mädchen, das habe ich wunderbar malen können, allerdings nur wenn ich
wußte, daß es ihr schlecht ging. Ich habe sie immer, wenn es ihr hundsmiserabel gegangen
ist, gemalt. Aus der Phantasie, es war großartig der Ausdruck von Verzweiflung, treffsicher
und präzise auf die Leinwand gezaubert. Das waren gelungene Bilder, ich habe
sie alle oder fast alle weggeworfen, die Bilder waren einfach zu traurig. Ein Bild habe ich ihr
gegeben, sie hat es mir abgebettelt, aber es war auch für sie zu traurig. Sie mußte es nach
einem halben Jahr in den Müllkontainer werfen. Sie hat den Anblick ihrer eigenen
Traurigkeit einfach nicht ausgehalten.
Um dieses Bild ist es schade. Ich habe schon viele Bilder übermalt oder weggeworfen, aber
um dieses eine Bild tut es mir leid.
Nein, so klein, zu klein kann ich sie nicht malen. Es muß ein Format sein, das weder klein
noch groß ist. Aber 30 x 40 cm ist nicht gut, da habe ich schon zu viele Bilder gemalt. Aber
35 x 40 schaut sehr gut aus. Ja das schaut mir sehr gut aus, 35 x 40 = 1400 cm2, aber 1400
Quadratzentimeter gefällt mir nicht.
33 x 39 cm ist auch nicht schlecht, da kann man alles durch drei teilen, ist nicht schlecht und
33 x 39 cm = 1287 Zentimeter im Quadrat. Wenn man das zusammen zählt
1 + 2 = 3 + 8 = 11 + 7 = 18
18 = 1 + 8 = 9 + 9 = 3 x 3
Ja, das ist gut, ich werde die anderen Formate vergessen. Es ist 33 x 39 cm, das muß ich mir
kaufen. Das ist das Format, es geht kein anderes. Mir wird klar, daß es gar nicht anders sein
kann. Sie konnte ja noch überhaupt nicht kommen, denn was soll sie von mir denken, wenn
ich nicht einmal in der Lage bin, ihr Format zu erkennen. Entweder zu klein oder zu groß .
Wenn, dann muß es stimmen, dann muß alles stimmen bis zum letzten Zentimeter. Komisch,
jetzt wo ich ihr Format gefunden habe, bin ich durch nichts mehr zu bremsen. Ich werde sie
malen und wenn ich sie an den Haaren ins Atelier schleifen müßte. Ich werde sie malen, das
ist so sicher wie nur was. Nicht aber auf die belgische Leinwand, da habe ich auch schon zu
viele Bilder gemalt, ich nehm für sie etwas ganz neues, ein extrem starkes Segelleinen. Das
hat den Vorteil, daß man die Struktur nicht so sieht und ist von einer angenehmen hellen
Farbe, daß, wenn man das Bild von hinten sieht, es immer noch nett und ansehnlich ist.
Denn man weiß ja nicht, wenn ich einmal wieder eine Ausstellung mache und jemand trägt
das Bild, um es an die Wand zu hängen, dann möchte ich, daß das Bild auch von hinten gut
aussieht. Man könnt ja sonst denken, daß ich zwar malen kann aber wie etwas von hinten
aussieht, davon hätte ich keine Ahnung.
Nein, man soll mir nicht vorwerfen können, ich sei einseitig. Ich kenne meine Freunde, die
denken über alles nach, was ich mache und diese Chance gebe ich ihnen nicht. Vielleicht, daß
sie hinter meinem Rücken etwas reden, was ich nicht will, das sie reden. Sie können alles
sagen, wirklich, alles, nur die Wahrheit muß es sein. Sie könnten ohne weiteres erzählen, daß
ich einen Perserteppich zerschnitten und weggeworfen habe. Nein keinen echten Perser, nur
so einen wie man ihn in einem Kaufhaus bekommt, aus reiner Schurwolle, mit einem Muster,
das einem im Einkaufsrausch gut gefällt, zu Hause aber einfach nicht paßt,einfach scheußlich
ist, impertinent anzusehen, zum Kotzen. Nun gut, ich habe versucht, ihn mit Stoffarben
umzufärben, ist auch besser geworden, war nicht schlecht. Ich habe aber mich jedesmal,
wenn ich ihn gesehen habe, geärgert. Daß man nur so blöd sein kann, fast einen Monatslohn
für so einen Mist auszugeben. Dann habe ich mir aber gesagt, soll ich mir wegen eines
Monatslohnes mein ganzes Leben lang diesen Teppich anschauen und mich mein ganzes
Leben lange ärgern?
Nein, das zahlt sich nicht aus. Besser ordentlich Deppensteuer zahlen, aber sich das nicht ein
ganzes Leben lang anschauen müssen. Ja, und da habe ich ihn in kleine Quadrate
zerschnitten und in der Nacht, wenn niemand mehr auf der Straße war, in den Mülleimer
geworfen. Ich mußte es sehr heimlich machen, denn was hätten die Leute von mir gedacht,
wenn ich ihnen sagen hätte müssen:
"Wissen Sie ich werfe den Teppich weg, den ich mir vor ein paar Tagen gekauft habe, aber
er gefällt mir nicht." Na, was hätten sich die Leute wohl gedacht?
Aber sicher nicht das, was ich wollte, das sie von mir denken. Die hätten sicher etwas
anderes gedacht. Kann man aber einem Menschen glauben, der seinen Teppich zerschneidet
und weggibt. Ich weiß es selbst nicht. Ich weiß nicht, ob ich mir noch vertrauen kann, jetzt
ohne Teppich. Ich bin ein Teppichmörder, jawohl. Ich bin der erste Mensch, der einen
Teppich ermordet hat. Das ist verrückt, das ist nicht mehr normal. Ja, einen Mensch haben
schon viele ermordet und zerstückelt, aber einen Teppich noch dazu aus reiner Schurwolle,
hergestellt in Belgien, genauso wie meine Leinwand.
Vorhin hatte ich Besuch von zwei Leuten und einem Hund, da haben wir noch Tränen gelacht
über meine Teppichzerstückelung. Ich finde aber nichts Komisches mehr daran. Es ist einfach
traurig, genau so traurig wie die Sache mit dem Pullover. Das ist genau das selbe. Ich
erinnere mich noch ganz genau. Es war kalt und ich wollte mir wie jeder andere auch einen
Pullover kaufen. Ja, ich weiß, manchmal neige ich dazu, etwas zu übertreiben. Gut ich habe
mir gleich zwei gekauft, warum auch nicht. Ich habe doch schon jahrelang keinen Pullover
mehr gekauft. Sie waren im Geschäft schon etwas eng, aber die Verkäuferin meinte, das paßt
und sei schließlich modern. Was weiß ich schon welche Mode gerade modern ist, dafür habe
ich nicht sehr viel übrig. Da verstehen andere mehr als ich. Ich mache mich nicht wichtig,
das ist eben so. Ich habe sie nicht lange gehabt diese Pullover, nur kurz, sehr kurz.
Ganz kurz nur, aber ich mag es nicht, wenn ein Pullover so eng ist, das ich meinen Bauch
nicht dahinter verstecken kann. Eines ist klar, ich bin ein typischer Vertreter derjenigen
Menschen, die ihren Bauch hinter einem Pullover, noch dazu im Winter, wo der gute immer
größer ist, als im Sommer, verstecken will. Ja, ich bin ein Bauchverstecker. Schließlich
braucht ja nicht jeder wissen, daß ich einen habe. So mußte ich die Pullover doch gleich
nach dem nochmaligen Anprobieren zu Hause wegschmeißen. Das würde doch jeder machen.
Zurückgeben war ausgeschlossen. Ich hab doch der Verkäuferin gesagt, daß mir die Pullover
gefallen und ich sie nehme. Ich habe aber nicht gesagt, wozu ich sie nehme und was mir
gefällt, mit ihnen zu machen. Ich habe mit ihnen gemacht was mir gefallen hat und bevor ich
mir auch noch einen Kasten kaufe, worin ich solche Dinge sammle, nein dann schon besser,
so wie es war.
Ob sie nächste Woche anrufen wird? Wenn ja, ob sie kommen wird? Ich möchte sie furchtbar
gerne malen, nur einmal die Woche ist fast zu wenig. Wenn etwas Unvorhergesehenes
geschieht, bewirkt das eine große Pause, die nicht gut ist.
Kommt sie oder kommt sie nicht? Das ist die Frage und wenn ja, ist die dieselbe wenn sie
wieder geht? Wenn sie wirklich kommen sollte, stelle ich das in den Raum. Also wenn sie
wirklich nächste Woche kommen sollte, dann lasse ich sie das, was ich jetzt geschrieben habe
lesen, und zwar während ich sie male. Ihr Bild wird dann zum Umschlagbild für dieses Buch
und wenn sie nicht kommt, was ich fast für wahrscheinlicher halte, dann nicht. Es kann
natürlich auch sein, daß sie kommt, ich sie male und sie das liest. Wenn sie aber nicht will,
daß ihr Bild das Umschlagsbild für dieses Buch wird, das kann auch sein, werde ich sie
einfach überreden. Nur es ist sinnlos, überhaupt weiter zu denken, denn sie wird weder
kommen, noch werde ich sie je malen, noch wird- was weiß ich. Ich gebe zu, es inspiriert
mich, daß sie heute nicht gekommen ist. Ja, ich habe wahrscheinlich, eben weil sie
verhindert war, mehr über sie erfahren als wenn sie hier gewesen wäre. Sie hat vielleicht
gespürt, daß ich nichts zum Rauchen hatte. Ich rauche nämlich ab und zu eine Haschisch-
Zigarette, heimlich, versteht sich und nur ein paarmal im Jahr. Es ist für mich wie für andere
einmal einen Rausch antrinken, nur daß ich am nächsten Tag kein Kopfweh habe und auch
sonst keine Nebenwirkungen. Wenn man brav ist, so wie ich, dann darf man das
alle paar Monate schon einmal machen. Das ist mein Geheimnis, das nur die wirklich aller
besten Freunde wissen. Ich kaufe auch nichts um nicht in diese Kreise zu kommen. Obwohl
ich die Leute echt mag, viel mehr als die randalierenden Säufer, die sich nicht unter Kontrolle
haben. Es ist ein sehr gutes Gefühl an einer solchen Zigarette zu ziehen, man wird leicht,
durchschaut alles, aber kann und will auch nichts ändern.
Das einzige daran, was nicht so gut ist, ist, daß man sich daran gewöhnen könnte, aber ich
habe bemerkt, daß die Wirkung nach längerem Gebrauch stark nachläßt. Deshalb mache ich
es lieber selten, dafür aber muß es ein bißchen sein wie Weihnachten. An so einem
Weihnachtsabend ist sie mir über den Weg gelaufen.
Ich hätte mich sonst ja überhaupt nicht getraut, zu fragen, ob ich sie malen kann. Das hat sie
instinktiv gespürt und deshalb ist sie heute nicht gekommen, wer läßt sich schon vom einem
Süchtler portraitieren. Ich hoffe trotzdem, daß es niemanden gibt, der etwas gegen Haschisch
hat. Ich weiß, es ist eine Droge und Rauschgift und Tod und Teufel stecken drinnen. Wo man
natürlich recht hat. Wenn es an die falschen kommt, ist es auch von meinem Standpunkt aus
nicht gut, aber so ab und zu ein bißchen für mich ist es reine Medizin. So wie manche jeden
Tag ein Achterl Wein trinken. Wenn man bedenkt, daß diese Menschen in arabischen
Staaten zum Tode verurteilt werden würden... Naja, es ist alles verkehrt, jede Kultur hat ihre
Verrücktheit.
Das war das erste Kapitel, und es stellt sich nur die Frage, wird es oder wird es nicht soweit
kommen. Im Buch "Das Portrait" oder "Der Weg einer Liebe", ob es ein weiteres Kapitel
geben wird, weiß ich jetzt noch nicht. Vielleicht schreibe ich als zweites Kapitel eine
Zeitung oder die Nachrichten. Ich weiß es jetzt wirklich noch nicht. Es hat überhaupt keinen
Sinn, irgendwelche Spekulationen anzustellen, wie es möglicherweise weitergehen
könnte. Auch weiß ich nicht, ob ich warten soll oder werde, bis nächste Woche, oder wie
und wann. Ich weiß nur eines mit Sicherheit, daß das eben das erste Kapitel des Buches
"Das Portrait" oder "Der Weg einer Liebe" ist, wie schon gesagt. Nur eines möchte ich
wissen, wollte sie wirklich kommen und wurde umständehalber an dem Wollen gehindert
oder gehört sie zu den Frauen, die sich etwas anschauen und wenn es ernst wird, ziehen sie
sich zurück. Wenn ich das nur wüßte, denn was mache ich mit dem Keilrahmen 33 x 39 cm,
wenn sie nicht kommt? Na ja, wenn sie nicht kommt, dann male ich eben was anderes. Da
geht die Welt nicht daran zugrunde.
Auf die Titelseite des Buches kommt aber auf jeden Fall das Portrait einer Frau und wenn
ich es von einer Zeitungabmalen muß, sonst weiß man jagleich, wie die Geschichte
ausgeht.
Neues Kapitel
Vorhin habe ich in einem Horoskopbuch gelesen, daß es völlig aussichtlosist, daß sie je
wieder kommt. Sie ist Zwillingsfrau mit Zwillingsaszentenzen, ist auch nicht einfach, aber
wenn zwei solche Menschen zusammen kommen, ist es das beste wenn sie sich überhaupt
nicht mehr sehen. Es soll zwar Ausnahmen geben, aber ich bin schon in anderen Dingen eine
Ausnahme, also ist es mir sicher, daß ich nur eine andere Frau suchen muß, die nur Modell
steht.
Eine Jungfrau vielleicht, das soll nicht schlecht sein, oder eine Skorpion-geborene, eine
Fischfrau ist zwar auch nicht schlecht, aber ich habe ein paar Freundinnen, die Fisch sind
und man kann sich langfristig auch nicht auf sie verlassen.
Ins Gesicht sind sie mir freundlich, aber hinten herum machen sie was sie wollen und nicht
was ich will. Das geht nicht, denn in meinem Leben spiele ich die Hauptrolle und nicht
irgend eine Statistenrolle, wo man warten muß, um dann irgendwann einen kurzen
unbedeutenden Auftritt zu haben.
Eine Jungfraugeborene aber - ich glaube da reizt mich das Unbekannte. Ich habe noch nie
bewußt mit einer Jungfrau zu tun gehabt, das wird mein Modell.
Es muß eine Jungfrau sein, dann kann ich sie sicher malen. Denn es gibt schon Sicherheit,
wenn in einem Horoskopbuch steht, das so etwas gut ist. Ja, eine Jungfrau mit dunklen
Haaren und nicht zu klein und nicht zu groß, nicht zu dekorativ geschminkt, eher eine
natürliche Schönheit mit liebenswerten Eigenheiten. Kein Durchschittstyp, vom Aussehen
sogar ähnlich der Zwillingsfrau, die nur, weil sie Zwilling mit Zwillingsaszentent ist, nicht
mehr kommt und ich nur weil ich Steinbock bin, sie nicht malen kann. Da ist man von Natur
aus kein besonders berühmter Portraitist und wenn man sich dann einmal überwindet und
wirklich aus Leidenschaft ein Portrait malen will. Dann passiert einem so etwas. Na ja,
Schuld ist das Horoskop, so wie ja immer irgend etwas Schuld haben muß . Wenn man nur
wüßte, was wirklich schuld ist. Ich glaube, Schuld ist in Realität nur eine Ausrede um nur
nicht irgend etwas zu müssen oder zu wollen. Es ist so einfach, sich ein paar Ver-
haltensformen anzugewöhnen, die man bei Bedarf ablaufen läßt, wie ein Film und dann Gott
sei Dank, man hat es ja gleich gewußt. Ja andere, die haben es gut, bei denen stimmt immer
alles und deshalb funktioniert da auch alles oder vielleicht auch nicht.
Vielleicht nehme ich einfach meine Gefühle zu wichtig und ich baue mir aus meinen
Gefühlen einfach eine Scheinwelt auf. Und im Vergleich mit dem, was wirklich ist, ist die
Scheinwelt immer noch idealer, immer noch besser. Ach was, ich denke einfach zuviel nach
und lebe mehr in meiner Vorstellung als im Leben. Es ist als würde ich in einem Bild leben,
das ich mir nach Bedarf ummalen kann. Ich glaube, mich interessiert nur mein eigenes
Gefühl und was andere empfinden, ist mir egal.
Ein Freund von mir hat immer gesagt, das Leben besteht aus Warten, Suchen und Putzen
und das stimmt auch. Es kommt aber nur darauf an, wie man es sieht. Es kann auch schön
und sogar kreativ sein, zu warten, zu suchen und zu putzen. Ich würde das ganze noch gerne
erweitern um Streiten, denn das ist, was ich gerne lernen möchte. Ja, ich möchte streiten
lernen. Ich kann es nicht, aber ich spüre eine unbändige Lust, es zu können. Ich möchte nicht
zorngebremst sein, in zynischen Ersatzhandlungen mich abreagieren. Zorn löscht Angst. Den
Zorn ablassen, solange er noch wie ein kleines Feuer leicht zu löschen ist und nicht ihn
zurückhalten, bis er zu einer alles vernichtenden Explosion wird. Verdammt noch mal, das
kann doch nicht so schwer sein, einfach nach Herzenslust gemein und ungerecht sein, wann
immer einem danach gelüstet. Wenn man ein Portrait malen will, muß man das
charakteristische des Modells erkennen und sollte möglichst naturgetreu vorgehen. Betont
man Eigenheiten, so wird das Bild zur Karikatur. Ein Fehler, der mir immer wieder
dazwischen kommt. Aber stolz darauf, etwas typisches gefunden zu haben, übertreibe ich
dann maßlos und bin nicht mehr zu bremsen. Das ist natürlich nicht der von mir als richtig
empfundene Weg. Es ist mir aber ein diebisches Vergnügen den Leuten die Nasen in die
Länge zu ziehen, ihre Ohren zu malen groß wie Segel oder Münder aufgerissen, mit
Zähnen, daß selbst ein Löwe das Fürchten lernt. Vielleicht noch mit einem Teufelskopf auf
einer grünen Zunge, aber so bin ich nur einmal, wenn ich erst einmal anfange zu
übertreiben, dann sind meine Bilder nicht realistisch. Das gehört aber Gott sei Dank der
Vergangenheit an. Ich habe und mache solche Bilder nicht mehr, möchte aber dennoch
aufzeigen wohin es führt, wenn man erst einmal anfängt, zu übertreiben. Da ist der Phantasie
praktisch keine Grenze gesetzt und jeder mag sich noch vielmehr vorstellen können, als ich
hier beschrieben habe. Beim Portraitieren hingegen kann es schon mal vorkommen, das der
Portraitierte nicht besonders zufrieden ist, wenn er solcherart verunstaltet wird und es sogar
zu unverständlich heftigen Reaktionen kommen kann, welche der Maler gewiß nicht
beabsichtigt. Als ich noch etwas jünger war, waren Bilder dieser Unbekümmertheit meine
ganze Leidenschaft, aber ich war bis auf wenige Ausnahmen nicht reich an Freunden;
besonders dann nicht, wenn ich sie malen wollte. Es ist nun schon etwa drei Jahre her, seit
ich beschlossen habe, mich mit etwas mehr Ernst und etwas weniger kindlicher
Schadenfreude an mein künstlerischen Werk zu gehen. So wird man in meinem Atelier
solche Bilder nicht mehr vorfinden. Ich bin älter geworden und manch graues Haar erinnert
mich daran, daß ich nicht mehr 17 Jahre bin, sondern fast doppelt so alt. So ist es
gekommen, daß ich gar nicht mehr auffallen, beachtet oder bewundert werden möchte.
Ich habe meine Ruhe in mir gefunden und bis auf einige kleinere Ausbruchsversuche bin ich
recht zufrieden mit meiner inneren Ruhe. Manchmal aber bilde ich mir ein, ich bin 17 Jahre
und renne wie ein Verrückter durch die Stadt und ich glaube dann gehe ich allen, die sich in
ein Gespräch mit mir einlassen, ziemlich auf die Nerven. Das ist aber selten, vielleicht
zweimal die Woche oder noch seltener. Ich will eben manchmal noch 17 Jahre alt sein und
wunder mich, daß mich die Leute alle so ernst nehmen, als würden sie es nicht durchschauen,
daß ich eben meine spinnerten Tage habe wie meine liebe Mutter dazu sagen würde. Es
kostet aber ungemein viel Kraft, die Welt nach meinen Vorstellungen ändern zu wollen. Ich
war aber immer schon ein bequemer Mensch.
Ich werde die Welt nicht mehr ändern wollen, es ist überflüssig. Ich bewahre mir meine
innere Ruhe und male schöne Dinge des Lebens. Einfach dem Gefühl der Stille folgend, das
ist alles. Im Kampf gegen die ganze Menschheit zieht man immer den kürzeren. Ich werde
still ab und zu ein Bild malen, nur so zur eigenen Freude. Auch habe ich nicht mehr vor,
mich in Ausstellungen anstarren, vergleichen und bewundern zu lassen. Ja, ich liebe meine
Bilder, aber deshalb muß sie doch nicht gleich jeder sehen. Das ist meine neue Zeit, nicht
mehr dem Erfolg nachjagen sondern mit den Mitteln, die mir gegeben sind, meine innere
Ruhe, meinen Seelenfrieden zu finden.
Endlich machen können, was ich will und nicht im Augenwinkel mit der Reaktion des
Publikums liebäugeln. Ich glaube ich werde überhaupt nicht mehr ausstellen, es erscheint mir
so angeberisch wie wenn Kinder die Länge ihrer Zumpferl abmessen und sich der Sieger
dann freuen darf. Das ist doch alles ein Blödsinn, würde mein Vater an dieser Stelle sagen.
Es ist wirklich ein Blödsinn und damit kein erstrebenswertes Ziel. Ich möchte dem Bild des
verrückten Künstlers nicht mehr entsprechen. Denn ich bin nicht verrückt, außer ich lasse
mich vollaufen, esse tagelang nichts richtiges oder stopfe mir Cannabis ins Hirn. Dann bin
ich natürlich auch verrückt, aber da wird sich niemand wundern, wenn man die Realität aus
den Augen verliert. Ist aber das wirklich Kunst? Wenn andere darin Erfüllung finden, dann
ja, dann ist es gut für sie, aber ich bevorzuge meine innere Ruhe. Ich habe viele Jahre des
Experimentes hinter mich gebracht und meine private persönliche Ansicht gewonnen. Es steht
sich nicht dafür, es lohnt sich der Aufwand nicht, denn alles Geld der Welt, Ruhm,
Bewunderung und Ansehen sind es nicht wert. Sind nicht so viel wert wie die innere Ruhe,
die Zufriedenheit mit dem, was ist. Immer streben nach noch mehr und noch besser, noch
größer und schöner, dann sagt man sich - ja wenn ich das erreicht habe, dann darf ich mich
glücklich fühlen. Hat man es mit viel Anstrengung und Entbehrung geschafft, bleibt kaum
Zeit für Glück, denn das nächste Ziel, noch größer, besser und schöner taucht auf und die
Jagd beginnt von neuem. Mir ist es immer noch so gegangen. Darum soll sich niemand
wundern, wenn ich nicht mehr mitmache. Sollen die streben, die streben wollen und die
ruhen, die ruhen wollen, die sollen Ruhe haben.
Ich möchte mein ganz normales Leben führen und wenn sie Zeit hat, werde ich sie
portraitieren wollen und wenn sie keine Zeit oder Lust hat werde ich etwas anderes machen,
was mir Spaß macht. Das Atelier gehört aufgeräumt, meine Wäsche sollte ich waschen, ich
mag es, wenn das Atelier aufgeräumt ist. Es stört mich aber nicht, wenn dem nicht so ist. Ich
möchte das, was ich mache, ohne Ehrgeiz machen. Ohne das Gefühl, gewonnen oder
verloren zu haben. Ich will einfach nicht mehr kämpfen. Ich möchte das, was ich mache,
auch gerne machen. Ganz einfach, sollen andere für Sensationen sorgen und Schlagzeilen
machen, aber nicht mehr ich - zumal es mir sowieso nie gelungen ist - jedenfalls nicht in
dem Ausmaß wie ich es vorhatte. Ich male, weil ich gerne male und nicht, weil ich Applaus
dafür bekommen möchte. Bei mir ist es immer so gewesen. Erst hatte ich einen Traum und
dann bin ich in den Traum sozusagen eingestiegen um ihn zu realisieren. Der Traum, ein
Tagtraum versteht sich, wurde von Freunden und Bekannten fleißig mitgeträumt und je
unwahrscheinlicher er war, umso mehr Anregungen hat man mir gegeben.
Ich habe geglaubt, sie herauszuhören. Wenn ich aber meiner Vorstellung von einem ganz
durchschnittlichen Leben, wo nichts traumhaft ist, sondern alles ganz normal, da hatte ich
dann immer das Gefühl, als wollte man mich davon abhalten, um mich wieder unmöglichen
Phantsiewelten und an Größenwahn grenzende Vorstellungen hinzugeben.
Doch ich bin immer auch bemüht gewesen, selbst die unmöglichsten Phantasien in die
Realität umzusetzen, was natürlich meist frustrierend war, denn was nicht funktionieren
kann, das geht nicht, auch wenn man noch so daran arbeitet. Aber solche Enttäuschungen,
die soll man sich ersparen, lieber Dingen seine Liebe und Aufmerksamkeit schenken, die
nicht von Haus aus unmöglich sind. Ich meine aber nicht, daß man es sich ganz leicht
machen muß. Es muß eine reale Aussicht auf Erfolg sein.
Was sich sagen möchte, ist, es muß nicht ohne Anstrengung gehen, aber es muß gehen. Es
ist wie mit dem Malen, wenn man sich zu sehr anstrengt, verliert man den objektiven Blick
und sieht nicht mehr, was man macht und das Bild verliert leicht an Lockerheit und wird
verkrampft und schwer. Wenn man sich nicht sicher ist, mischt man Farben zu Farben,
solange bis alles eine unbestimmbare Farbe ergibt. Wenn man weiß, wie und wo man das
einsetzen kann, ist es sehr gut. Weiß man es nicht - und ich wußte es lange nicht - ist man
enttäuscht. Wenn es nicht so wird wie man will. Darum soll man sich sicher fühlen, wenn
man an ein Bild herangeht oder wenn man unsicher ist, sich von der Unsicherheit führen
lassen.
Wenn man zu dem steht, was man gerade macht, dann ist es der richtige Weg und wenn man
nicht fragt, ob man damit auch vorwärts kommt, kann einem so gut wie nichts geschehen.
Jedes Bild wird so wie es ist und nicht wie man es sich vorstellen will, aber nicht kann. Denn
ich bin überzeugt davon, daß man alles, was man sich realistisch vorstellen, kann auch
realisieren kann. Die Dinge jedoch, die man sich wohl vorstellen kann aber nicht real,
sondern idealisiert, die sind zum Scheitern verurteilt und werden höchstens kurzfristig von
Erfolg gekrönt sein.
Man muß die Mitte finden können: Nicht zu viel, nicht zu wenig, nicht zu hell, nicht zu
dunkel, nicht zu schön und nicht zu häßlich. Wer die Mitte findet, der findet auch die innere
Ruhe, um ein Bild malen zu können oder ein Leben zu führen, das einen Wert hat. Nur
Applaus wird man keinen ernten, aber dafür wird das Gefühl, das einem entgegengebracht
wird, mehr Bestätigung sein als die lautesten Bravorufe.
Es ist entsetzlich heiß im Atelier. Es ist so heiß, daß ich am ganzen Körper naß bin. Ohne
mich zu bewegen rinnt mir der Schweiß den Rücken hinunter. Ich muß mir eine Klimaanlage
installieren, aber vorher möchte ich mir noch eine bequeme Heizung für den Winter machen
lassen. Das kostet alles so viel Geld. Ich kann es mir im Moment einfach nicht leisten, denn
ich brauche mein Geld für soviele andere Dinge, das mir einfach nichts überbleibt.
Wenn ich allein bin, macht mir die Hitze nichts aus, da laufe ich eben nackt herum, nur wenn
ich Besuch habe, stört es mich, wenn es gar so heiß ist. Nur, wenn es so heiß ist, kann ich
nicht malen. Die Farben werden durch die Wärme anders, zum Teil flüssiger, manche
trocknen schneller als gewohnt und manche wiederum trocknen überhaupt nicht. Das Öl in
der Farbe wird dünner und die Farbe läßt sich nicht zufriedenstellend streichen. Jetzt habe ich
mir mit Titanoxyd-Pulver und Leinöl eine weiße Ölfarbe angerieben und es ist sehr
interessant, weil ich habe zwei verschiedene Sorten gebleichten Leinöls verwendet habe.
Eine, die schon älter ist und die ältere scheint schon so dick und zäh geworden zu sein, daß
die Farbe wie ein Lack wurde, also dickflüssig. Immer die Tendenz zu Zerinnen ganz
gleich, wieviel Weiß ich noch dazu gegeben habe und dabei sehr schwer mit der Spachtel
durchzureiben - wie Honig.
Hingegen die mit dem neuen, noch dünneren Leinöl geriebene Farbe ließ sich merklich
leichter reiben und das Farbpulver verteilte sich mühelos, bis die Farbe durch Zugabe von
noch mehr Farbe zu eine festen Paste geworden ist, mit der Konsistenz, die einer
Leberstreichwurst zu vergleichen ist. Ich lege viel Wert auf das Weiß , darum reibe ich es
mir auch gerne selber an. Erstens weil das zu kaufende Weiß selten so ist, wie ich es
brauche, es ist auch viel billiger und man kann damit Effekte erzielen, die anders wirklich
nicht möglich sind. Am besten ist, wenn man verschiedene Sorten von Leinöl, von
verschiedenen Herstellern und auch verschiedene Sorten von Pigment verwendet. So habe ich
im Moment ein Titanoxyd, das sehr große Stücke hat, also nicht pulverig ist, was die Arbeit
beim Anreiben der Farbe sehr erschwert. Das Pigment, das ich vorher hatte, war feiner und
das Anreiben war auch leichter, was zwar nicht entscheidend ist, aber arbeitserleichternd.
Wichtig ist, daß viel Farbpulver im Leinöl untergebracht wird und zwar soviel, soviel geht.
Denn verdünnen kann man die Farbe ja beim Malen immer noch.
Es dauert lange, bis man Zugang zum Realismus hat, denn wenn man realistisch malen will,
muß man auch realistisch denken können, sonst wird es nicht echt. Manch einer glaubt von
sich, Realist zu sein und ist in Wahrheit nur ein romantisierender Träumer. Deshalb ist es
beim Malen und ganz besonders beim Portraitieren wichtig, daß man sich auch über seinen
eigenen Realbezug im klaren ist. Sonst erlebt man unangenehme Überraschungen.
Wir leben in einer so schnell-lebigen Zeit, daß es an jedem Einzelnen liegt was er machen
will. Ich ziehe es vor, mein Leben privat zu leben, abgewandt von der Öffentlichkeit und von
Leuten, die zu wissen glauben, was mir gut tut. Auch möchte ich für niemanden zu einem
Einfluß werden, jeder soll sein Leben leben, so wie ich mein Leben leben möchte. Es ist eben
viel einfacher von den anderen das zu fordern was einem selber zu anstrengend ist. Solchen
Einflüssen war und habe ich mich zum Teil auch bewußt ausgesetzt. Ich habe gelernt zu
denken, wie andere denken, auch so zu fühlen. Das hat mich immer schon interessiert, mehr
als meine eigene Meinung durchzusetzen. Für mich war es interessant, warum wer so oder
so denkt, spricht, fühlt und handelt. Sodaß man es mir nicht verübeln kann, wenn ich mich
lieber zurückziehe und mich meinem Privatleben fernab von jeder Öffentlichkeit widme.
Deshalb gilt meine neue Begeisterung den Portraits, die ich von Menschen malen werde, die
mir nahestehen oder denen ich nahestehen möchte. Bilder von Menschen, die ich liebe oder
einfach alles, was ich liebe. Wenn ich es wirklich liebe, dann wird man es auch sehen.
Naja, soweit so gut, aber ich bin doch neugierig, ob etwas daraus wird und ob sie diese
Woche kommen wird und ich endlich mit dem Bild anfangen kann. Es ist nun klar, ich bin
wieder zu dem geworden, der ich bin. Bereit, mein Leben so zu leben, wie ich es mir
vorstelle. Ich habe mich lange genug beeinflussen lassen. Genützt hat es mir nichts - denn
auch die Erfolge, die ich dieser Beeinflussung vielleicht verdanke, sind nicht nennenswert.
Ich liebe es, so zu malen wie ich es will und ich liebe es, so zu leben wie ich leben möchte.
Ich möchte aber weder ein lautes Leben, noch möchte ich lauter schreiende Bilder. Da sind
mir schreiende Kinder schon lieber. Der Mensch soll nicht stehen bleiben, und wer immer
ein Kind bleibt, der ist irgendwann am Leben vorbeigegangen. Es gibt viele alte Kinder, die
z.B. etwas nicht essen wollen, die trotzen, wenn es nicht nach ihrem Kopf geht, die alles
besser wissen, die Lügen und so weiter und so weiter.
Wenn man da erst einmal anfängt, nachzudenken, fällt einem noch jede Menge ein.